Die Stadt Waidhofen an der Thaya liegt im nördlichen Waldviertel, dem nordwestlichen Landesteil des Bundeslandes Niederösterreich. In einer leichten Beckenlage im Thayatal befindet sich das Stadtzentrum in 510 m Seehöhe etwa 30 m über dem Wasserspiegel der Thaya, wobei die alte Stadtanlage dem Relief angepasst war. Durch das Siedlungswachstum im 19. und 20. Jahrhundert breitete sich die Siedlung über die alten Stadtmauern in alle Himmelsrichtungen aus. Entscheidender als die naturräumliche Lage war für die Stadt aber immer die Lage innerhalb politischer Grenzen, die die Geschichte Waidhofens geprägt hat.
Zum ersten Mal wird der Name "Waidhofen" 1171 erwähnt. Der Name geht auf einen ehemaligen Jagdsitz, einen Waid-Hof, zurück [Foto]. Waidhofen war als Burgstadtgründung, wie auch andere Waldviertler Orte, Bestandteil eines planmäßigen Grenzgürtels gegen Böhmen und Mähren. Charakteristisch dafür war die wehrhafte Höhenlage, ein angerförmiger Dreiecksplatz mit einer Burg am Ostende sowie einer allseitigen Befestigung durch Stadtummauerung und Stadtgräben. Bald nach dem Übergang der Stadtherrschaft von den Grafen von Pernegg auf die Landesfürsten (zuerst die Babenberger, später die Habsburger) kam es um 1230 zur Erhebung Waidhofens zur Stadt mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten.
Die Entwicklung der Stadt Waidhofen/Thaya kann in drei Problemkreisen gesehen werden:
Die Lage an der Grenze hängt direkt mit der Stadtanlage zusammen. Die Sprachgrenze zu Böhmen und Mähren veränderte sich vom Hochmittelalter bis zum heutigen Tag nicht, damit waren aber häufig Kriegsereignisse verbunden. Schon 1278 drangen böhmische Truppen König Ottokars in die Stadt ein und vernichteten durch Brandlegung zumindest die Pfarrkirche. 1328 verursachten böhmische Truppen eine neuerliche Zerstörung Waidhofens, im Jahre 1400 spricht der städtische Rat von ständigen kriegerischen Einfällen aus Böhmen, wodurch die Nahrungsversorgung zum Problem würde. Besonders arg wurde Waidhofen durch die Hussitenkriege betroffen: Die Stadt war damals nämlich auch Sammelplatz der österreichischen Truppen. Erst nach dem habsburgischen Erwerb Böhmens und Mährens 1526 wurde die Grenzlage stabiler, obwohl Waidhofen weiterhin im Aufmarschbereich für gegnerische Heere blieb: 1619 musste im Dreißigjährigen Krieg die Stadt neuerlich gegen böhmische Truppen verteidigt werden, 1645 gegen die Schweden! Schon 1597 war Waidhofen in den Bauernkrieg miteinbezogen worden. Letzte Besetzungen durch fremde Heere gab es 1809/10 (Franzosen), 1866 (Preussen), 1938 (Deutsches Reich) und schließlich 1945 (Sowjetunion). Das Jahr 1945 mit seinen weltpolitschen Folgen brachte eine völlig neue Grenzsituation: Waidhofen an der Thaya lag von da an bis Ende 1989 wieder am Rand des österreichischen Staates, ja sogar am Rand der demokratischen Staaten Europas. Die Lage Waidhofens glich den ersten Jahrhunderten nach der Stadtwerdung, der Eiserne Vorhang zur damaligen Tschechoslowakei aber stellte eine völlig neuartige "Zerreißungsgrenze" dar! Erst seit der "samtenen Revolution" in unserem Nachbarstaat wurde die Grenze zum nunmehrigen Staat Tschechien wieder zu einer Verbindung von zwei Völkern.
Es muss hier aber gesagt werden, dass nicht nur Kriege , sondern auch Seuchen (vor allem die Pest im 14. und 17. Jahrhundert), verheerende Brände und manchmal Überschwemmungen durch die Thaya der Bevölkerung großes Leid brachten. Der letzte große Brand von 1873 zerstörte das alte Stadtbild, brachte aber durch den Neubau im Stadtzentrum eine stilistisch einheitlich und ästhetisch ansprechende Gestaltung der Gebäude im Sinne des auslaufenden 19. Jahrhunderts.
Waidhofens Lage an der Peripherie von Österreich hatte und hat Folgerungen für die zentralörtliche Bedeutung der Stadt. Waidhofen hatte seit seiner Stadtwerdung zentralörtliche Funktion zu erfüllen: Das Stadtrecht brachte wichtige Umlandbeziehungen mit sich. Pfarrkirche, Märkte und Stadtmauern ergänzten sich wechselseitig in ihrer Bedeutung und zogen viele Menschen aus den Dörfern an. Bei der Verleihung von Marktrechten wurde Waidhofen/Thaya vom Landesfürst bewußt privilegiert, in der frühen Neuzeit verstärkten übertragene gerichtliche Aufgaben und vor allem Handwerk und Gewerbe die zentralörtliche Funktion. Auch die kirchlichen Verhältnisse trugen zur Vorrangstellung Waidhofens im oberen Waldviertel bei: Zwar fasste kurzfristig die reformierte Lehre Luthers in weiten Teilen der Bevölkerung Fuß, 1630 aber war die Stadt wieder gänzlich katholisch und wirkte durch ihr Beispiel auf das Umland.
Zu Änderungen in der zentralörtlichen Situation kam es erst in der Zeit des Eisenbahnbaues im 19. Jahrhundert. Zwar wurde die Franz-Josefs-Bahn (die direkte Linie Wien - Prag - Berlin) nicht über Waidhofen geführt, zwar verlor der politische Bezirk Waidhofen auch viele Menschen an den neuen politischen Bezirk Gmünd, aber gleichzeitig sicherte die Ansiedlung von Behörden und die Gründung verschiedener Institutionen auf dem schulischen und Gesundheitssektor Waidhofens zentralörtliche Stellung, wobei der Einzugsbereich - abgesehen vom Verwaltungssektor - annähernd gleich blieb. Damit verbunden kann die Stadt Waidhofen/Thaya als einzige Gemeinde des Bezirkes auf eine seit 1869 stetig ansteigende Bevölkerungszahl verweisen, während alle anderen Gemeinden in diesem Zeitraum - bedingt durch die periphere und ökonomische Situation - teilweise starke Abwanderung zu verzeichnen hatten. Diese Abwanderung im Umland vermindert die Kundenzahl für die Privatwirtschaft und stellt ein echtes Problem für Waidhofen dar. Heute ist Waidhofen mit etwa 5600 Einwohnern ein zentraler Ort mittlerer Stufe (Typ Bezirkshauptort); unter den insgesamt cirka 700 zentralen Orten Österreichs liegt es an etwa 60. Stelle.
Zu den vielfältigen Dienstleistungseinrichtungen zählen die verschiedenen Behörden (Bezirkshauptmannschaft,Außenstelle der niederösterreichischen Landesbibliothek, Finanzamt, Arbeitsmarktservice, Bezirksgericht, die drei Kammern für Arbeiter und Angestellte, für die Landwirte und die gewerbliche Wirtschaft, EVN-Bezirksdirektion, Gendarmerie-Abteilung und eine Straßenbauabteilung des Landes Niederösterreich, wobei die zwei zuletzt genannten Behörden über die Bezirksgrenzen hinaus für das gesamte obere Waldviertel zuständig sind), die Waidhofen zu den Hauptstützpunkten der Verwaltung im Waldviertel machen. Für die Bedeutung der Stadt wesentlich sind auch die Gesundheitseinrichtungen (ein Krankenhaus mit fünf Abteilungen, einer Intensivstation sowie mehreren Ambulanzen, mehrere Fachärzte, ein Landespflegeheim mit 138 Betten für bettlägerige Patienten) und die verschiedenen Schultypen (zwei Kindergärten, eine Volks-, eine Sonderschule, zwei Hauptschulen (HS 1 und HS 2), eine polytechnische Schule, ein Gymnasium und Realgymnasium, eine Handelsschule und eine Handesakademie). Für die zentralörtliche Ausstattung der Stadt ist natürlich auch auf die vielfältigen Geschäfte und die industriell-gewerblichen Arbeitsplätze zu verweisen, die Waidhofen nicht nur zum Einkaufszentrum, sondern auch zum Einpendlerort für das Umland machen. Schließlich ist die Stadt mir der barocken Stadtpfarrkirche, dem "Dom des Thayatales", und dem Pfarrzentrum Mittelpunkt des kirchlichen Lebens, mit dem Freizeitzentrum und den Sportvereinen für die Freizeitwünsche der Bevölkerung von Stadt und Umland gut ausgestattet.
Auch an kulturellen Einrichtungen mangelt es in Waidhofen nicht: Viele Vereine sportlicher, musischer und geselliger Art (Blasorchester, Bürgerkorps, Sportunion) beschäftigen nicht nur deren Mitglieder, sondern treten oft als Repräsentanten der Stadt öffentlich in Erscheinung. Verschiedene Einrichtungen für Erwachsenenbildung arbeiten mit sehr guten Erfolgen, der Stadtsaal bietet der darstellend-reproduzierenden Kultur viele Möglichkeiten. Für die älteren Mitbürger der Gemeinde gibt es vielfältige Einrichtungen (Seniorenclub, Heimkrankenhilfe) und Begünstigungen.
Somit soll der dritte Problemkreis, die wirtschaftliche Situation, kurz angesprochen werden. Seit der Stadtwerdung beherbergte Waidhofen vielfältige Gewerbe, wobei die Bierbrauerei und das Vorhandensein von Mühlen an der Thaya neben den verschiedenen Handwerken besondere Bedeutung hatten. Die Erlaubnis zur Abhaltung einiger Märkte seit dem 14. Jahrhundert begünstigte das örtliche Gewerbe, wovon auch die verschiedenen Waidhofener Zünfte Zeugnis gaben. Nach dem wirtschaftlichen Niedergang der Stadt im Dreißigjährigen Krieg kam es ab etwa 1670 zu einem neuerlichen Aufschwung der gewerblichen Produktion und vor allem des Schweinehandels. Ende des 18. Jahrhunderts galt Waidhofen/Thaya neben Krems/Donau als die bedeutendste Gewerbestadt des Waldviertels: Ursache dafür waren die Erzeugung von und der Handel mit Leinenbändern, Baumwollwaren und Tüchern (das obere Waldviertel erhielt daher die Bezeichnung "Bandlkramerlandl" - die Landschaft, aus der wandernde Händler mit Bändern kamen). Die Aufstellung vieler Webstühle in Bauernhäusern (Heimgewerbe) und die Gründung einiger Fabriken machte die Textilindustrie bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts zur führenden Industriesparte Waidhofens.
Erst ab 1965 kam es im Gefolge der Textilkrise in den Industriestaaten zu einer Umstrukturierung, so dass heute andere Branchen in Waidhofen ihren Standort haben. Zu erwähnen sind ein elektrotechnisches Unternehmen (Tyco Electronics Schrack), ein Betrieb für Berufskleidung (Nagele), ein Spezialunternehmen für Galvanisierungstechnik (Henkel) sowie eine stark exportorientierte Fabrik für Kunststofftechnik (KTW). Die größte Schaf- und Ziegenmilchkäseerzeugung (Die Käsemacher) Österreichs sowie eine Molkereigenossenschaft und die Lagerhausgenossenschaft, die zu den umsatzgrößten Niederösterreichs zählt, dokumentieren Waidhofens nach wie vor bestehende Verbindung mit dem agrarischen Umland. Die Stadt beherbergt auch eine Reihe von größeren Gewerbeunternehmen (Bauunternehmen (Reißmüller), Elektro-(Hörmann) und Installationsbetriebe (Krenn), Tischlereien, eine Isolierglaserzeugung (FN-Glas) und eine Buchdruckerei) sowie von Handelsbetrieben, die durch ihr Angebot für Stadt und Umland Bedeutung haben. Auf die übrigen Dienstleistungseinrichtungen (Behörden, Schulen, Gesundheitseinrichtungen) wurde bereits eingegangen, ergänzend können hier noch die drei Geldinstitute genannt werden, die auf dem Vereins- (Waldviertler Sparkasse von 1842, siehe auch "Gebäude auf dem Hauptplatz") bzw. Genossenschaftsprinzip (Volksbank oberes Waldviertel und Raiffeisenbank Waidhofen/Thaya) beruhen und somit fest im oberen Waldviertel verankert sind.
  Waidhofen an der Thaya ist somit ein alter Verwaltungs-, Industrie- und Einkaufsort im Grenzland, zwar bedrückt von der Lage an der Peripherie des Landes und vom Zentrum Wien, das dem Grenzland nicht die nötige Förderung zugesteht, aber trotzdem voller berechtigter Hoffnung, durch den Fleiß und die Initiative der Bevölkerung sowie durch die nun normalisierte Grenzsituation alle Situationen zu meistern, so wie dies bereits seit über 825 Jahren geschieht.

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